
ADHS ist eine komplexe neurodivergente Kondition, die oft missverstanden wird. Ein faszinierendes Phänomen, das bei Menschen mit ADHS auftritt, ist das sogenannte “Dopaminloch”. Dieses Konzept erklärt, warum Pausen für Menschen mit ADHS oft nicht die erhoffte Erholung bringen und sogar kontraproduktiv sein können.
Was ist das Dopaminloch?
Das Dopaminloch beschreibt einen Zustand, in dem Menschen mit ADHS einen plötzlichen Abfall des Dopaminspiegels erleben. Dopamin ist ein entscheidender Neurotransmitter, der als “Antreiber” und “Motivations- bzw. Belohnungsneurotransmitter” fungiert. Es spielt eine zentrale Rolle bei Motivation, Konzentration und der Fähigkeit, Belohnungen wahrzunehmen und anzustreben.
Bei Menschen mit ADHS ist der Dopaminhaushalt von Natur aus anders reguliert. Aktuelle Studien zeigen, dass bei ADHS-Betroffenen die Dopaminrezeptoren und -transporter im Gehirn anders funktionieren. Eine Metaanalyse von Song et al. (2021) ergab, dass etwa 2,58% der Erwachsenen weltweit von ADHS betroffen sind - das sind Millionen von Menschen, die täglich mit den Herausforderungen eines unausgeglichenen Dopaminhaushalts kämpfen.
Warum sind Pausen problematisch?
Für viele Menschen sind Pausen eine Quelle der Erholung. Bei ADHS-Betroffenen kann jedoch genau das Gegenteil der Fall sein. Hier’s warum:
Unterstimulation: Wenn eine fesselnde Aufgabe unterbrochen wird, die Dopamin freisetzt, kann das Gehirn plötzlich in einen Zustand der Unterstimulation geraten.
Motivationsverlust: Das abrupte Absinken des Dopaminspiegels kann zu einem Gefühl der Leere und Antriebslosigkeit führen.
Schwierigkeit beim Wiedereinstieg: Nach einer Pause kann es extrem herausfordernd sein, den Fokus wiederzufinden und in die Aufgabe zurückzukehren.
Emotionale Dysregulation: Das Dopaminloch kann zu Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit oder sogar depressiven Verstimmungen führen.
Stress vor Urlaubsphasen: Vor längeren Pausen wie Urlauben neigen Menschen mit ADHS dazu, ihr Leistungsniveau abrupt zu senken, was zu zusätzlichem Stress und Überforderung führen kann.
Integrierte Psychohygiene: Strategien für ein ausgeglichenes Leben mit ADHS
Es gibt zahlreiche Strategien, die Menschen mit ADHS helfen können, ihre Pausen effektiver zu gestalten und eine ausgewogene Neurohygiene zu pflegen:
Mikro-Pausen: Statt langer Pausen, können kurze, 2-5 minütige Breaks eingelegt werden. Diese sind weniger wahrscheinlich ein Dopaminloch zu verursachen.
Bewegung integrieren: Körperliche Aktivität, selbst für kurze Zeit, kann den Dopaminspiegel stabilisieren. Dehnübungen oder ein kurzer Spaziergang können hilfreich sein.
Dopamin-freundliche Aktivitäten: Aktivitäten, die leicht Dopamin freisetzen, wie Musik hören oder ein kurzes, unterhaltsames Video ansehen, können in Pausen integriert werden.
Achtsamkeitsübungen: Kurze Meditationen oder Atemübungen können helfen, den Geist zu beruhigen und gleichzeitig wach zu bleiben.
Strukturierte Pausen: Vorausplanen von Pausen und das Einhalten eines Zeitplans kann dem Gehirn eine vorhersehbare Struktur geben.
Nervensystem-Regulation: Techniken wie progressive Muskelentspannung oder Herzfrequenzvariabilitäts-Training können helfen, das Nervensystem zu regulieren.
Sanfte Übergänge: Vor Urlaubsphasen oder längeren Pausen ist es ratsam, das Leistungsniveau schrittweise zu reduzieren, um abrupte Veränderungen zu vermeiden.
Ganzheitlicher Ansatz: Body, Mind & Nervous System
Ein ganzheitlicher, systematischer Ansatz, der die komplexen Wechselwirkungen zwischen Körper, Geist und Nervensystem berücksichtigt, kann bei der Bewältigung von ADHS-Symptomen besonders effektiv sein. Dieser Ansatz integriert:
Körperliche Aspekte: Ernährung, Bewegung und Schlafhygiene
Mentale Strategien: Kognitive Umstrukturierung und Achtsamkeitstechniken
Nervensystem-Regulation: Techniken zur Aktivierung des parasympathischen Nervensystems
Durch diesen umfassenden Ansatz können nicht nur einzelne Symptome adressiert, sondern das gesamte Wohlbefinden verbessert werden.
ADHS: Ein lebenslanges Selbstmanagement
Es ist wichtig zu verstehen, dass ADHS eine lebenslange Begleitung ist, die kontinuierliches Selbstmanagement erfordert. Die gute Nachricht ist: Mit den richtigen Strategien und Unterstützung können Menschen mit ADHS lernen, ihre einzigartigen neurologischen Eigenschaften zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Das Verständnis des einzigartigen Dopaminhaushalts ist der erste Schritt zu einem ausgeglicheneren Leben mit ADHS. Es geht darum, die neurodivergente Neurobiologie nicht als Hindernis, sondern als besondere Eigenschaft zu verstehen und zu nutzen.
Fazit
ADHS ist eine komplexe Kondition, die individueller Strategien bedarf. Das Konzept des Dopaminlochs hilft uns, die Herausforderungen besser zu verstehen, denen Menschen mit ADHS gegenüberstehen. Mit dem richtigen Wissen und den passenden Techniken können Betroffene lernen, ihre einzigartigen neurologischen Eigenschaften zu ihrem Vorteil zu nutzen und ein erfülltes, ausgeglichenes Leben zu führen.
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Dieser Artikel basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und jahrelanger praktischer Erfahrung im Bereich ADHS- & OCD-Coaching und Neurodivergenz.
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